Bernhard Widmann | www.widmann-arts.de | email@widmann-arts.de

Pressetexte zu  SYSTEM-IMMANENT


Zur Ausstellung in der Städtischen Galerie Stuttgart, 1996


SYSTEM-IMMANENT
oder
Der "gläserne Mensch" im Kreislauf seiner Bedingtheit

... in SYSTEM-IMMANENT hat Bernhard J. Widmann die Zwiespältigkeit unserer heutigen Existenz auf den Punkt gebracht, mit kritischem Blick für die Realität, aber ohne den Ansatz von Technikfeindlichkeit - denn Technik ist nur so feindlich, wie sie der Mensch feindlich sein lässt.

Die analog gefertigten fotografischen Portraits von Individuen verschiedener kultureller und gesellschaftlicher Herkunft - und damit auch Abstammung aus verschiedenen Systemen - werden konfrontiert mit unterschiedlichen Zahlensystemen, die zugleich individuelle wie allgemeingültige Merkmale notieren. Sind die Portraits, die Widmannschen Menschen-Bilder einmalig, scheinen die vor- und nachgelagerten Zahlen-Bilder austauschbar und damit jedem der Menschen-Bilder zuordenbar.

Zwei Bildebenen treffen so aufeinander. Zum einen das Abbild von Menschen in klassischer Schwarz-Weiss-Fotografie, lebensgross auf Transparentfilm gebannt, jedes davon systematisch in der stets gleichen Position und Beleuchtung aufgenommen und damit (bei Zurücknahme fotoästhetischer Aspekte) auf eine Faktizität der fotografischen Erscheinung reduziert. Zum anderen das nüchterne digitale Zahlenbild, das auf elektronischem Weg gestaltet, montiert und auf gleich grossem Transparentfilm belichtet worden ist.

Zwei Ansichten zeigt uns jedes Menschenbild bei differenzierter, vom Modell frei gewählter Standhaltung. In Profil-, en face-, dreiviertel-Profil-Stellung, aber auch in Rückenansicht und verlorenem Profil erscheinen Bernhard Widmanns Mitmenschen, die aus des Künstlers persönlichem Umfeld stammen, aus seinem Bezugssystem,
und damit folgerichtig auch seiner Generation angehören.

Die vom Künstler vorgenomme Teilung oder Zwiegespaltenheit der Dargestellten wird betont durch die trennende - und doch auch wieder verbindende - Ebene der Zeichenkolumnen, die exemplarisch für die Vielfalt der unterschiedlichen Systeme und deren alltäglicher Präsenz stehen.

... Was in Bernhard Widmanns Installationen den Menschen trennt oder verbindet, in jedem Fall aber in seiner Existenz bestimmt, sind von ihm bearbeitete und überarbeitete Exempel der digitalen Realität unserer gesellschaftlichen Existenz. Umso deutlicher wird die Anonymität der Zahlenwerke, die uns, die wir uns in den fotografischen Widmannschen Menschen-Bildern nicht nur geistig, sondern auch real widerspiegeln, durchdringen, überlagern und umgeben, und uns eine Transparenz vortäuschen, die keineswegs real ist. Die "Durchsichtigkeit" der Widmannschen Bilder verweist auf eine Durchsichtigkeit des Individuums für das jeweilige System, aber nicht auf eine Durchsichtigkeit des jeweiligen Systems für das Individuum.

Otto Pannewitz



Zur Ausstellung in der Galerie der Stadt Sindelfingen, 1997

SYSTEM-IMMANENT

... Computergenerierte "virtuelle Realität" macht nicht nur die Manipulierbarkeit des Bildes deutlich, sondern auch die der menschlichen Wahrnehmung. Die Veränderung ihrer Kategorien durch digitale Medien und die System-Bildung durch die Codes dieser Medien sind Themen von Widmanns fotografischen Installationen.

Abstrakte Zahlen- und Datensysteme ordnen zwar das Zusammenleben der Individuen, doch gleichzeitig erfassen sie es auch und nivellieren durch die Abstraktion jegliche individuellen Merkmale. In Widmanns Installationen treffen die individuellen lebensgrossen Portraits von Menschen verschiedener Nationalität und verschiedener Lebensbereiche auf Zahlensysteme und Codes von unterschiedlicher, aber durchweg digitaler Herkunft.

Von Telefonnummern über Bar-Codes bis zu Begriffen, die zu den Eckpfeilern dieser spezifischen Systeme werden, wie top, space, cam und list reicht das Spektrum, der den Menschen abstrakt erfassenden digitalen Systeme. Man begreift, dass diese digitale Realität unserer gesellschaftlichen Existenz immanent ist und nicht wir das System, sondern das System uns durchschaut.

Tina Schelhorn (DGPh)
Katalog DAS BILDFORUM, 4. Internationale Fototage Herten '97


Was von der Fülle visueller Eindrücke übrig bleibt
"Mediale Welten" - 20 Jahre Kunststiftung Baden-Württemberg
in der Galerie der Stadt Sindelfingen

... Bernhard Widmanns bevorzugtes Medium ist wiederum die Photographie.
Der zentrale Raum des Obergeschosses der Galerie wird eingenommen von der 1996 entstandenen Photoinstallation SYSTEM-IMMANENT. Auf transparenten Folien kombiniert Widmann Ganzkörperportraits von Menschen verschiedener Herkunft
und Kultur mit Zahlenkolonnen. Die Individualität der Portraits ist verflochten mit der uns ständig zumeist unbewusst umgebenden digitalisierten Wirklichkeit ...

Tim Schweiker, Stuttgarter Nachrichten, 26. Juli 1997



Zur Ausstellung im Kunstraum Kreuzlingen (CH), 1998

Einblicke und Durchblicke
Kunstraum Kreuzlingen zeigt "Blick von draussen"

... Gäbe es eine Medaille für Perfektion und Ästhetik, man müsste sie Bernhard Widmann überreichen.
Seine sechs jeweils dreiteiligen, großformatigen Schwarzweissfotografien auf Transparentfilm bilden eine eindrucksvolle raumgreifende Installation ...

Joachim Schwitzler, Südkurier, 24. Februar 1998



Zur Ausstellung im Kunstverein Schaffhausen (CH), 2001

Kunst in der Schwebe

Ob Kumuluspunkte beim Einkauf in der Migros oder Credit Points an der Uni, der zeitgenössische Mensch sammelt Zahlen und wird zahlenmässig erfasst. Solche Zahlensysteme treten bei Bernhard J. Widmanns Fotoinstallationen "System-Immanent" auf. Lebensgrosse Menschen auf Filmfolien abgebildet, hängen
wenige Zentimeter über dem Boden im Raum und werden mit verschiedenen Zahlenbildern konfrontiert.

(...) die fünf Frauen und drei Männer sind je zweimal aus unterschiedlichen Perspektiven abgebildet, mal von vorn, mal von hinten, im Profil oder aus schrägem Winkel. Man kann durch diese Schwarz-weiss-Fotografien durchsehen und spiegelt sich gleichzeitig selber in den Filmfolien, also im Individuum, durch das man die abstrakten Zahlen und Zeichen erkennt. Der Betrachter ist, wie auch der abgebildete Mensch, System zugehörig - System immanent - und wird gleichzeitig durch das von Menschen geschaffene Zahlensystem getrennt ...

Barbara Achermann, Schaffhauser Nachrichten, 2. November 2001

 

>> Zurück zum Seitenanfang